Seit Jahrzehnten ist das Thema der Rückgabe menschlicher Überreste aus kolonialen Zeiten ein Diskussionsthema in akademischen, politischen und kulturellen Kreisen weltweit. In den Annalen der Kolonialgeschichte ist ein oft vernachlässigtes, aber äußerst wichtiges Kapitel das Erbe der deutschen Kolonisation. Zwischen 1884 und 1919 dehnte das Deutsche Kaiserreich seinen Einfluss auf mehrere Territorien aus, darunter Besitzungen in Afrika (wie Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika – heute Namibia – und Deutsch-Ostafrika – heute Burundi, Ruanda und Tansania), in China (insbesondere das Pachtgebiet Kiautschou) und im Pazifik (wie Neuguinea und Samoa).
Es ist oft unbekannt, dass auch Deutschland eine bedeutende Kolonialmacht war. Deutsche Forscher entnahmen systematisch Knochen aus ihren Kolonien, um sie in Museen in Deutschland auszustellen. Dies war eine Ungerechtigkeit gegenüber diesen ehemaligen Kolonien, die ihrer kulturellen Erbstücke beraubt wurden. Die jüngsten Debatten zu diesem Thema erregen weiterhin viel Aufsehen und verlangen, dass Deutschland seine Erinnerungskultur in Bezug auf diese Thematik kritisch hinterfragt. Die menschlichen Überreste, die noch immer in deutschen Museen ausgestellt sind, können oft nur schwer identifiziert und in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden.
In diesem Kontext widmen sich die Regisseurinnen Agnes Lisa Wegner und Cece Mlay dem Fall Tansania. Die ehemalige deutsche Kolonie, bekannt durch die Geschichte der Maji-Maji-Massaker (1905-1907), wird im Film „Das leere Grab“, der am 17. Mai 2024 in Mannheim von Cinema Quadrat e.V. in Zusammenarbeit mit Eine-Welt-Forum Mannheim e.V., der Initiative Black Academy und der AG Kolonialgeschichte Mannheim gezeigt wurde, thematisiert.
Die Besonderheit dieser Veranstaltung war die Möglichkeit, nach der Filmvorführung mit den Hauptakteuren und Regisseurinnen zu sprechen. Diese Diskussionen wurden von Nicole Amoussou, Koordinatorin der Black Academy, die darauf abzielt, das Wissen und die Fähigkeiten schwarzer Menschen sichtbar zu machen, moderiert.
Im Süden Tansanias folgt der Anwalt John Mbano den Spuren seines Urgroßvaters, der von der deutschen Kolonialarmee hingerichtet wurde und dessen Schädel zu rassistischen „Forschungszwecken“ nach Deutschland gebracht wurde. Im Norden Tansanias kämpfen Félix und Ernst Kaaya für die Rückgabe der Überreste ihrer Vorfahren. Beide Familien sind mit der deutschen und tansanischen Bürokratie konfrontiert und versuchen, Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit für dieses Problem zu schaffen. Der Film verfolgt den Weg von drei Afrikanern, die für die Rückgabe der Überreste ihrer von der deutschen Kolonialarmee aus ihrer Heimat geraubten Vorfahren kämpfen. Indem die bürokratischen Hürden in Deutschland und Tansania sowie die Herausforderungen in ihrem Streben nach Gerechtigkeit aufgezeigt werden, will der Film die Konsequenzen der Kolonisation beleuchten und zu einer tiefen Reflexion über die historische Verantwortung und die Notwendigkeit der Anerkennung vergangener Ungerechtigkeiten gegenüber den afrikanischen Völkern anregen. Auch wenn die ehemalige Kolonialmacht heute bemüht ist, sich bei den verschiedenen Kolonien (einschließlich Tansania) zu entschuldigen, „bleiben die Gräber leer“ und diese Entschuldigungen können den Menschen in Tansania nicht die Teile ihrer Vorfahren zurückgeben, die als Ornamente oder Kunstwerke in deutschen Museen dienen.
Heute fordern die afrikanischen Völker lautstark die Rückgabe dieser menschlichen Überreste durch die Kolonialmächte, da sie mehr als nur Kulturgüter darstellen; sie sind wichtige Elemente, um eine jahrzehntelange Trauer zu beenden. In ihren Augen werden diese Ahnen erst dann Ruhe finden, wenn ihre menschlichen Überreste in die Heimat zurückgekehrt sind. Diese Forderungen treiben die Kolonialmächte zur Handlung, auch wenn dies Zeit benötigt. Zum Beispiel hat eine namibische Delegation am Mittwoch, dem 29. August 2018, während einer religiösen Zeremonie in Berlin 19 Schädel und Knochen der Herero- und Nama-Stämme sowie eine Kopfhaut, die vor über einem Jahrhundert von den deutschen Kolonialtruppen genommen wurden, zurückerhalten. Dies ist ein Beweis dafür, dass der Kampf für die Rückgabe der menschlichen Überreste dieser schwarzen Vorfahren entschlossen fortgeführt werden muss. Der Film „Das leere Grab“ ruft das tansanische, afrikanische und schwarze Volk zu Einheit und Engagement auf.
Nach der Vorführung des Films „Das leere Grab“ und den anschließenden Diskussionen bleibt festzuhalten, dass die Rückgabe der kolonialen Überreste ein erster entscheidender Schritt in Richtung wiederherstellender Gerechtigkeit ist. Die Kolonialmächte müssen nicht nur die historischen Verfehlungen anerkennen, sondern auch auf die Forderungen der schwarzen Gemeinschaften eingehen, um ihre Geschichten zu rekonstruieren. Dies wäre ein Akt der Anerkennung der vergangenen Ungerechtigkeiten und ein Bekenntnis zu Versöhnung und kollektiver Heilung. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Rückgabe nur ein Teil eines größeren Prozesses der sozialen Gerechtigkeit und Wiedergutmachung der durch die Kolonialisierung verursachten Schäden sein kann. Ein Fortschritt in die Zukunft ist nicht möglich, wenn ein ganzes Volk ewig in seiner Vergangenheit gefangen bleibt, ohne sich daraus zu befreien.
Quellen: https://www.lhistoire.fr/lallemagne-face-%C3%A0-ses-colonieshttps://www.france24.com/fr/20180829-genocide-namibie-allemagne-reconciliation-tribu-herero-nama-ossement-excuses